Karlsruher SC

KSC-Supporters-Veranstaltung zu Katar: „Dealer“ FIFA und UEFA „weiden“ Fußball aus wie „ein krankes Tier“

Karlsruhe (mia). Menschenrechtsverletzungen, ausgebeutete und tote Arbeiter, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, bisher war keine andere Fußball-Weltmeisterschaft so umstritten, wie diese, die am kommenden Wochenende in Katar beginnt. Auch die KSC-Fans und –Mitglieder hatten sich im Stadion und auch auf der Mitgliederversammlung dagegen ausgesprochen. Die Supporters des Karlsruher SC hatten daher am Dienstagabend eine Podiumsdiskussion im Sandkorn-Theater veranstaltet.

Moderator Mirko Drotschmann eröffnete die Runde zunächst mit der Frage, wer auf dem Podium und wer im Publikum sich die WM-Spiele anschauen werde. Catherine Devaux von Amnesty International, Dario Minden, Fanvertreter „Unsere Kurve“, KSC-Präsident Holger Siegmund-Schultze und KSC-Stadionsprecher Martin Wacker erklärten keine Spiele zu schauen. KSC-Fan und „Allesfahrer“ Martin Fix dagegen erklärte, zumindest die Spiele der Deutschen Nationalmannschaft anschauen zu wollen.

Im Publikum gab es dagegen nur wenige erhobene Hände. Kaum einer wolle die Spiele schauen.  Interessant wäre sicher auch die Antwort von Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Vorstand, gewesen. Er hatte krankheitsbedingt kurzfristig absagen müssen.

Dass KSC-Fan Fix die deutschen Spiele schaue, sei das Resultat „eines langen Kampfes“ mit sich selbst. Denn „seit 2004 habe ich alle Weltmeisterschaften und Europameisterschaften mitgemacht.“ Daher wolle er zumindest die deutschen Spiele im Fernsehen schauen.

Auch in der „Allesfahrer-Szene“ gab es unterschiedliche Reaktionen. Jeder müsse selbst entscheiden wie er mit dem „Boykott“ umgehe. Manche Fans seien sogar bereits zum Testspiel in den Oman geflogen, andere wurden von ihren Ultras darauf hingewiesen, die Fahnen nicht aufzuhängen, wenn sie dort sind, wieder andere schauen keine Spiele im TV.

Dealer FIFA und UEFA

Von einem TV-Boykott hält KSC-Stadionsprecher Martin Wacker viel. „Wir alle sind Fußball-Junkies. Die UEFA und die FIFA sind die Dealer. Dealern wird man nur Herr werden, wenn wir ihren Stoff nicht mehr kaufen“, erklärt Wacker. Denn gerade wenn die Sponsoren merken, dass die TV-Quote zurückgeht, mindere das die „Ware der Dealer“.

Das – so hofft Wacker – sollte ein Umdenken geben. Ein Umdenken, das jedoch nur stattfinden könne, wenn die Philosophie des „Wegschauens“ beendet würde. Denn „wir haben ganz lange weggeschaut“, so Wacker über diverse Probleme wie Menschenrechtsverletzungen, Homophobie und Diskriminierung. „Ich hoffe, dass Katar ein Wendepunkt wird aufs Hinschauen und wir die Chance gemeinsam ergreifen.“

Dafür müsse die „Halbwertszeit“ der „Empörungsmaschinerie“ aber länger sein. Die Probleme müssten weiter in der Diskussion bleiben und nicht nach der WM beendet sein. 

95 Prozent der Bürger ohne Rechte

So sieht das auch Amnesty-Vertreterin Devaux. „Die FIFA ist die Hauptverantwortliche für das Desaster. Und wenn man es nicht schaut und Millionen Menschen es nicht schauen“, sei das ein guter Schritt. Wichtig sei das Hinschauen auf die Probleme. Diese anzusprechen und anzugehen. Denn: „Katar ist so klein wie Baden aber 95 Prozent der Einwohner haben keine Rechte.“

Auch sie hat die Hoffnung, dass es eine Wende gibt. Dass jeder neben dem TV-Boykott etwas tun kann, habe sie beim Spaziergang gesehen. „So viele Aufkleber der KSC-Fans mit Boykott-Katar habe ich gesehen. Auch diese Veranstaltung ist wichtig. Jeder kann etwas tun.“

Fußball ist für jeden

Dario Minden hatte seinen Beitrag öffentlich beim DFB-Kongress geleistet und dem anwesenden katharischen Botschafter folgende Worte entgegen gebracht: „Ich bin ein Mann und ich liebe Männer. Das ist normal, also gewöhnt euch daran oder bleibt weg vom Fußball. Denn die wichtigste Regel im Fußball ist: Fußball ist für jeden. …“

Hinfahren würde er trotz der Bekräftigungen Katars, es sei sicher auch für Homosexuelle, nicht. Denn zwar würden sie wohl die „Fassade“ aufrechterhalten während der Spiele, so Minden, danach jedoch gäbe es wieder Haftstrafen und Schlimmeres.

Druck auf den DFB

Auch er sieht die Probleme bei den Verbänden. „Der DFB hat eine richtige Wirkmacht. Wenn der DFB gesagt hätte, wir sind nicht überzeugt von der Entscheidung, aber wir fahren hin, wenn die Bedingungen in sagen wir sechs Jahren erfüllt sind“ hätte das Auswirkungen gehabt.

Aber da tat sich nichts. „Und es war klar, dass es unter diesen Bedingungen viele Tote gibt, so Minden über die Bauarbeiter der Stadien. Er hoffe auf das „Schamgefühl“ vom DFB, welches es sicher gibt. „Das muss man ausnutzen. Da sind wir dran und machen Druck.“ – gerade auch in Sachen Vergabe der Meisterschaften. „Am Ende ist die FIFA ein übler Haufen, aber sie ist nur die Summe aller Nationalverbände.“ Und den deutschen Verband könne man „bearbeiten“.

 Das Herz am rechten Fleck

Ob auch der KSC seinen Teil leisten kann beim DFB und etwas ändern könne, fragte Moderator Drotschmann. KSC-Präsident Holger Siegmund-Schultze erklärte: „Ich denke dass Du das Gewicht der Vereine und des KSC etwas überschätzt. Wenn auf DFL-Versammlung war, dann gibt es die großen Tiere und die anderen, paar Kleine und da gehören wir dazu. Das heißt nicht dass man es nicht versuchen sollte, aber der DFB ist schon ein Staat im Staat. Das sieht man an der Gerichtsbarkeit, der Frage wie mit Dingen umgegangen wird, die Recht betreffen, die in unserer Verfassung, den Grundrechten anders gehandhabt werden. Da bin ich pessimistisch, wenn sich fünf Vereine zusammenschließen, die das Herz am rechten Fleck haben, dass man jemand in Frankfurt sagt, das interessiert mich.“

WM ignorieren

Dennoch sehe der KSC seine Chance, klare Kante zu zeigen gegen die WM in Katar. So habe man im Gremium des KSC auch vor dem Votum bei der MGV darüber gesprochen, dass mit „Werten gebrochen wird, die der KSC vertritt.“ 

Natürlich schaue er gerne Fußball und wenn ein Profi sagt, er möchte es schauen, sei das auch logisch. Er selbst werde kein WM-Spiel anschauen und in Social Media „werden wir so tun, als ob es nicht wäre“. „Wir wollen als Verein diese Plattform nicht geben“, so KSC-Präsident Siegmund-Schultze.

Vielmehr noch werde der KSC Alternativprogramme während der DFB-Spiele bieten. „Wir ziehen unsere Sache durch.“

Fußball wird ausgeweidet wie ein krankes Tier

Diese Gegen-Veranstaltungen gibt es auch in den Theatern in Karlsruhe, erklärt Wacker. „Wir müssen eine Gegenbewegung aufmachen gegen den Großkommerz. Wenn wir das schaffen die nächsten vier Wochen die Theater voll zu machen, sind wir die Gewinner.“

„Ich bin gespannt auf die Einschaltquoten der WM. Solange wir einschalten, sind wir auf dem Holzweg. Die Frage ist ob wir uns von den Verbänden alles vorschreiben lassen und den Fußball ausweiden lassen wie ein krankes Tier. Mir geht das auf den Wecker und ich würde gerne nach Katar ein Umdenken sehen – auch bei uns.“

Und tatsächlich schien es bei der abschließenden Frage, wer die Spiele schaue noch weniger gestreckte Hände zu geben.